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© Depositphotos.com | AdriaVidal |OpenAI – Deepseek

Deepseek als Klima-Helfer?

Chinas KI verbraucht weniger Strom, hat aber zugleich für weitere Nachfrage gesorgt. Die neue KI aus China rechnet viel effizienter als die US-Konkurrenz. Der Energieverbrauch insgesamt wird dadurch aber nicht automatisch sinken.

Die sogenannte künstliche Intelligenz (KI) galt bisher als starker Treiber des weltweiten Stromverbrauchs. Um den Stromhunger ihrer KI-Systeme zu decken, planen die US-Unternehmen Open AI, Google und Microsoft sogar den Einstieg in die Atomkraft.

Ihre neue Konkurrenz aus China, Deepseek, könnte hier ein Gamechanger sein. Nach Angaben des Unternehmens in Hangzhou verbraucht die Deepseek-Technologie bis zu 70 Prozent weniger Strom. Doch die schöne Öko-Rechnung geht nicht automatisch auf.

Die KI-Anwendungen boomen, besonders seit der Einführung des Sprachassistenten Chat-GPT Ende 2022. Das erfordert immer mehr Rechenzentren, um die digitalen Prozesse bewältigen zu können – und damit mehr Strom.

Laut der Internationalen Energieagentur IEA gab es Ende 2023 weltweit mehr als 8.000 dieser Serverfarmen. Geschätzter Verbrauch: zwei bis drei Prozent der weltweiten Elektrizitätsproduktion.

Die IEA erwartete Anfang letzten Jahres, dass der Strombedarf der Rechenzentren, unter anderem wegen des Haupttreibers KI, sich schon bis 2026 mehr als verdoppeln könnte: von 460 Milliarden Kilowattstunden auf bis zu 1.050 Milliarden. Ein Zuwachs, der höher liegt als der gesamte Stromverbrauch Deutschlands.

KI wird effizienter, aber auch populärer

Herkömmliche KI-Anwendungen, etwa die in den USA entwickelten Sprachmodelle wie GPT oder Gemini, benötigen sehr viel Rechenleistung. Deepseek hat demgegenüber nach eigenen Angaben einen Algorithmus entwickelt, der die Rechenprozesse bei gleicher Leistung effizienter gestaltet.

So passt sich das System an die unterschiedliche Komplexität der Aufgaben an, es vermeidet so überflüssige Berechnungen. Zudem nutzt das chinesische System eine neuartige Methode zur Datenkompression, die Speicherbedarf und Rechenumfang vermindert.

Weiterer Punkt: Deepseek arbeitet eng mit Chipherstellern zusammen, um energiesparsame Hardware zu entwickeln.

Die von Chat-GPT und Co entwickelten Verfahren nutzen sehr große Datenmengen und erfordern parallele Rechenprozesse. Das erhöht den Stromkonsum der Rechner.

Beispiel: Eine Anfrage im Internet via Chat-GPT verbraucht gegenüber einer normalen Google-Suche das Drei- bis Zehnfache an Elektrizität, und sie produziert im Schnitt 4,5 Gramm CO2.

Fachleute sind schon länger alarmiert. Die IEA nannte den KI-getriggerten Datacenter-Boom eine „Herausforderung für das Stromsystem“. Der Energietechnik-Historiker Daniel Yergin hat die KI sogar mit einer „hungrigen Raupe“ verglichen, die einen nimmersatten Energiebedarf habe. Und das Öko-Institut warnte in einer Analyse zum KI-Boom davor, die Entwicklung völlig ungesteuert zu lassen.

Ob Deepseek hier nun eine Trendwende auslösen kann, ist fraglich. Einerseits hat das System aus China natürlich das Potenzial, die benötigte Rechenleistung deutlich zu senken und die Anwendungen dadurch energiesparsamer zu machen. Andererseits kann es die Nutzung von KI noch weiter popularisieren, was den Energiehunger und damit den CO2-Ausstoß wieder in die Höhe treiben würde.

Tatsächlich geht die kostenlose Deepseek-App bei den Usern gerade durch die Decke. Sie wurde seit ihrem Start Mitte Januar bereits mehrere Millionen Mal heruntergeladen, und viele davon werden nicht nur Umsteiger von Chat-GPT und Co sein, sondern Neu-Nutzer von KI-Programmen.

Experte fordert Technikfolgenabschätzung

Der Experte Jens Gröger vom Öko-Institut befürchtet, dass Deepseek einfach neben den anderen Sprachmodellen existieren wird, „und sein Energieverbrauch kommt einfach obendrauf“, wie er im Gespräch mit Klimareporter° sagte.

Entscheidend für die gesamte Energie- und Klimabilanz ist aber noch ein weiterer Aspekt. Die Frage ist, ob das innovative Entwicklungsprinzip von Deepseek genutzt werden kann, um den positiven KI-Nutzungen für Energiewende und nachhaltige Rohstoffnutzung zum Durchbruch zu verhelfen.

Künstliche Intelligenz kann beispielsweise heute schon eingesetzt werden, um die fluktuierenden erneuerbaren Energien Solar- und Windkraft besser in die Stromnetze zu integrieren – etwa durch tiefere Analyse von Wetterdaten und damit präzisere Vorhersage der Einspeisung und Stromspeicher-Steuerung.

Auch ermöglicht es KI, technische Prozesse bei der Herstellung, Wartung, Nutzung und Wiederverwertung von Produkten zu optimieren, was die Energie- und Ressourceneffizienz verbessert und mit den richtigen Randbedingungen die Kreislaufwirtschaft fördert.

Jens Gröger sagt dazu: „Es ist erfreulich, wenn KI-Unternehmen sich Konkurrenz machen und es dadurch bei den KI-Modellen einen Effizienzwettbewerb gibt.“ Allerdings warnt er, dass eine hocheffiziente KI eben auch zu anderen Zielen als der Nachhaltigkeit genutzt werden kann – etwa, um neue Öl- und Gasfelder zu erschließen.

„Man kann nicht ausschließen, dass auch Deepseek – mit dem süßen Walfisch-Logo – dazu genutzt wird, die Tiefsee nach neuen Rohstoffen zu durchsuchen und Umweltzerstörung und Klimawandel noch weiter voranzutreiben“, sagt Gröger, der die Forschung zu nachhaltigen digitalen Infrastrukturen an seinem Institut koordiniert.

Generell fordert Gröger, die Gesellschaft dürfe bei Digitaltechnik und KI die technische Entwicklung „nicht einfach laufen lassen“. Eine Technikfolgenabschätzung sei unabdingbar – und darauffolgend eine Regulierung. Fehlentwicklungen sollten frühzeitig erkannt werden, bevor sie unkontrollierbar werden.

Deshalb plädiert der Experte dafür, eine Art Ökobilanz für KI-Anwendungen aufzustellen. Bei der klassischen Ökobilanz eines Produkts wird sein gesamter Lebenszyklus analysiert, von der Rohstoffgewinnung und Produktion über den Transport und Nutzung bis hin zur Entsorgung.

Diese Methodik sei auch auf digitale Anwendungen, wie Software und KI übertragbar, so Gröger. „Und damit lässt sich dann im zweiten Schritt eine Reduktion des Energie- und Ressourcenverbrauchs realisieren.“

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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