‹ Zurück zur Übersicht

© Depositphotos.com | RRRmmm22 | Die Forschenden gehen davon aus, dass Landwirte einen immer geringeren Anteil der Verbraucherausgaben erhalten werden.

Wachsende Kluft: Klimaschutz in der Landwirtschaft wirkt unterschiedlich auf Lebensmittelpreise in reichen und armen Ländern

Landwirte bekommen immer weniger von dem, was Verbraucher für Lebensmittel bezahlen, da moderne Agrar- und Ernährungssysteme die Kosten zunehmend auf nachgelagerte Bereiche wie Verarbeitung, Transport und Vermarktung verlagern.

Eine neue Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt, dass dieser Effekt beeinflusst, wie Lebensmittelpreise auf Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft reagieren: Während nachgelagerte Wertschöpfungsbereiche in reicheren Ländern den Anstieg der Verbraucherpreise abmildern, stellen klimaschutzbedingte Preissteigerungen bei Lebensmitteln für ärmere Länder – in denen die landwirtschaftlichen Kosten den Großteil des Lebensmittelpreises ausmachen – eine größere Herausforderung dar.

„In einkommensstarken Ländern wie den USA oder Deutschland erhalten die Landwirte weniger als ein Viertel der Ausgaben für Lebensmittel, verglichen mit über 70 Prozent im Afrika südlich der Sahara, wo die landwirtschaftlichen Kosten einen größeren Teil der Lebensmittelpreise ausmachen“, sagt PIK-Wissenschaftler David Meng-Chuen Chen, Hauptautor der in Nature Food veröffentlichten Studie. „Diese Kluft unterstreicht, wie unterschiedlich die Ernährungssysteme in den verschiedenen Regionen funktionieren.“ Die Forschenden gehen davon aus, dass mit der Entwicklung der Volkswirtschaften und der Industrialisierung der Lebensmittelproduktion Landwirte einen immer geringeren Anteil der Verbraucherausgaben erhalten werden, ein Maß, das als „food share“ am Lebensmittelpreis bekannt ist.

„In reichen Ländern kaufen wir zunehmend verarbeitete Produkte wie Brot, Käse oder Süßigkeiten, bei denen die Rohstoffe nur einen kleinen Teil des Preises ausmachen“, erklärt Benjamin Bodirsky, PIK-Wissenschaftler und Autor der Studie. „Der größte Teil des Preises wird für die Verarbeitung, den Einzelhandel, die Vermarktung und den Transport ausgegeben. Das bedeutet auch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher von den Schwankungen der Agrarpreise weitgehend abgeschirmt sind, die durch klimapolitische Maßnahmen wie Steuern auf Umweltverschmutzung oder Regelungen zum Flächenverbrauch verursacht werden. Aber es macht auch deutlich, wie wenig die Landwirtinnen und Landwirte tatsächlich an den Lebensmitteln verdienen.“

Analyse der gesamten Wertschöpfungskette erfasst die Auswirkung von Klimaschutzmaßnahmen

Um zu diesen Ergebnissen zu gelangen, kombinierte das Team statistische und prozessbasierte Modelle, um die Preiskomponenten von Lebensmitteln in 136 Ländern und 11 Lebensmittelgruppen zu bewerten. Es untersuchte die Preise für Lebensmittel, die sowohl zu Hause als auch außer Haus verzehrt werden. „Die meisten Modelle beschränken sich auf die Kosten in der Landwirtschaft, aber wir haben den gesamten Weg bis zum Lebensmittelgeschäft und sogar bis zum Restaurant oder zur Kantine untersucht“, sagt Chen. Durch die Analyse der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette liefern die Forschenden auch neue Erkenntnisse darüber, wie sich politische Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher auswirken: „Klimapolitische Maßnahmen, die auf eine Verringerung der Emissionen in der Landwirtschaft abzielen, rufen häufig die Sorge vor steigenden Lebensmittelpreisen hervor, insbesondere bei den Verbrauchern. Unsere Analyse zeigt, dass die langen Lieferketten moderner Ernährungssysteme die Verbraucherpreise vor drastischen Erhöhungen schützen, insbesondere in reicheren Ländern“, erklärt Chen.

„Selbst bei einer sehr ehrgeizigen Klimapolitik mit einer hohen Bepreisung von Treibhausgasen in der Landwirtschaft wären die Auswirkungen auf die Verbraucherpreise bis zum Jahr 2050 in reicheren Ländern viel geringer“, sagt Bodirsky. Die Verbraucherpreise für Lebensmittel in reicheren Ländern würden durch klimapolitische Maßnahmen nur um das 1,25-fache steigen, obwohl die Erzeugerpreise bis 2050 um das 2,73-fache höher wären. Im Gegensatz dazu würden in ärmeren Ländern die Verbraucherpreise für Lebensmittel unter einer ehrgeizigen Klimapolitik bis 2050 um den Faktor 2,45 steigen, während die Erzeugerpreise um den Faktor 3,3 steigen würden. Auch wenn die Verbraucherpreise in Ländern mit niedrigerem Einkommen weniger stark steigen als die Preise für Landwirte, wäre es für die Menschen in ärmeren Ländern immer noch schwieriger, sich ausreichend und gesund zu ernähren.

Klimapolitik ist für die langfristige Sicherung der Agrar- und Ernährungssysteme unerlässlich

Trotz der Preisinflation bei Lebensmitteln müssen Verbraucherinnen und Verbraucher mit niedrigem Einkommen aber nicht zwangsläufig unter den Maßnahmen zum Klimaschutz leiden. Eine frühere Studie des PIK (Soergel et al. 2021) zeigt, dass ärmere Haushalte trotz der Preisinflation bei Lebensmitteln netto besser gestellt wären, wenn die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zur Unterstützung einkommensschwacher Haushalte verwendet würden, da sie dann höhere Einkommen zur Verfügung hätten.

„Klimapolitik mag kurzfristig eine Herausforderung für Verbraucherinnen, Landwirte und Lebensmittelproduzierende sein, aber sie ist für die langfristige Sicherung der Agrar- und Ernährungssysteme unerlässlich“, sagt Hermann Lotze-Campen, Leiter der Forschungsabteilung „Klimaresilienz“ und Autor der Studie. „Ohne ehrgeizige klimapolitische Maßnahmen und Emissionsreduzierungen werden die Folgen eines ungebremsten Klimawandels, wie Ernteausfälle und Unterbrechungen der Lieferketten, die Lebensmittelpreise wahrscheinlich noch weiter in die Höhe treiben. Die Klimapolitik sollte Mechanismen vorsehen, die allen eine schonende Transformation ermöglichen, wie etwa faire CO2-Preise, finanzielle Unterstützung für besonders vulnerable Regionen und Bevölkerungsgruppen sowie Investitionen in nachhaltige Anbaumethoden.“

Quelle

Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) 2025

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren