EU-Strommarkt-Analyse: Mehr Speicher und Flexibilität als Antwort auf negative Preise
Analysen des Beratungsunternehmens Aurora Energy Research ergeben einen weiteren massiven Ausbau von Wind- und Solarenergie in Europa bis 2050. Aurora empfiehlt daher, Speicher und Flexibilität aufzubauen, um negative Preise zu vermeiden. Der BEE unterstützt diese Forderung.
„Es ist das kleine Einmaleins der modernen Energiewirtschaft, dass Flexibilitäten eher geeignet sind, den Ausbau der Erneuerbaren zu begleiten als diese zu pönalisieren und damit den benötigten Zubau zu riskieren. Wir stimmen mit Aurora überein, dass sich dies negativ auf die Business Cases der Investoren auswirkt und vermieden werden sollte“, so BEE-Präsidentin Simone Peter. Darüber berate auch der Ausschuss für Klimaschutz und Energie im Rahmen der Anhörungen zu Änderungen im Energiewirtschaftsrecht (EnWG) und zum Biogaspaket sowie zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) in dieser Woche.
Laut Aurora Energy Research könnte die installierte Leistung von Wind- und Solarenergie in Europa bis Ende 2025 auf über 630 Gigawatt (GW) ansteigen und bis 2050 sogar auf über 1800 GW anwachsen. Dafür würden 1400 Milliarden Euro investiert, berichtet der Tagesspiegel Background Energie und Klima heute. Treiber des Zubaus seien sinkende Technologiekosten, staatliche Fördersysteme und das Abschalten von fossilen Kraftwerken. Zeitgleich nehme die Nachfrage nach Strom zu.
„Diese erfreuliche Entwicklung, die laut Aurora hauptsächlich durch den wieder angekurbelten Ausbau in Deutschland, aber auch anderer EU-Staaten stattfindet, darf nicht wieder ausgebremst werden. Erneuerbare senken die Strompreise, liefern saubere und sichere Energie und tragen erheblich zur regionalen Wertschöpfung bei“, so Peter. Wie die BEE-Studie „Klimaneutrales Stromsystem“ gezeigt habe, könne der Zunahme an negativen Preisen und dem Verfall von Marktwerten durch den Aufbau von Verbraucher-, Speicher- und Erzeugerflexibilitäten deutlich entgegengewirkt werden. Das bestätige auch Aurora, die mit der Empfehlung Speicher und Flexibilität anzureizen, statt Erneuerbare zu pönalisieren und damit Investitionen zu riskieren, den Kern der künftigen Herausforderungen treffen.
„Flexibilität muss zur neuen Leitwährung werden. Wenn wir das flexibel steuerbare Back-up aus Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie, grüner KWK und Speichern anreizen, stehen allein in Deutschland weitere 38 GW Leistung bis 2030 zur Verfügung. Bioenergie und grüne KWK werden zudem in den Nahwärmenetzen benötigt“, so Peter. Zur optimalen Flexibilisierung des Biogasanlagenparks werde der BEE in der Anhörung zum Biogaspaket am Mittwoch Stellung beziehen.
Hinzu komme das große Potenzial der Flexibilität auf Verbraucherseite, das durch einen beherzten Smart-Meter-Rollout, dynamische Stromtarife und variable Netzentgelte nicht nur den Verbrauchern die Möglichkeit des systemdienlichen und damit günstigeren Strombezugs gewährleiste, sondern auch den Kauf von E-Autos und Wärmepumpen anreize. Forderungen der Parteien nach Absenkung des Strompreises, z.B. durch Senkung der Stromsteuer, seien zu begrüßen. Auch die von der EU vorgesehenen Möglichkeiten des „Energy Sharing“ müssten voll ausgeschöpft werden.
Der BEE werde in der Anhörung zum EnWG im Bundestag zudem nochmals deutlich machen, wie die Mehrfachnutzung (Überbauung) von Netzverknüpfungspunkten optimal ausgestaltet werden kann, um das Nadelöhr Netznutzung zu öffnen. „Aurora bekräftigt die Rolle des Netzanschlusses und -ausbaus. Diese sind zentral für die weitere Energiewende und dürfen nicht länger als Flaschenhals wirken“, fordert Peter. Hierfür könne das EnWG noch in dieser Woche einen Beitrag leisten.
„Es wäre betriebs- und volkswirtschaftlich verheerend, die vielen Möglichkeiten des Nutzens, Flexibilisierens und Speicherns der mittlerweile systemsetzenden Erneuerbaren nicht zu nutzen, und damit den Ausbau der fluktuierenden sowie der flexibel steuerbaren Quellen abzubremsen. Hier müssen im Rahmen der auf dem Tisch liegenden Gesetzespakete Perspektiven geschaffen werden. Die neue Bundesregierung ist angehalten, zügig eine umfassende Flexibilitätsstrategie aus Kraftwerksstrategie und neuem Strommarktdesign vorzulegen, die die heimischen Potenziale der Erneuerbaren als den kostengünstigsten Energieträgern voll ausschöpft. Damit gewinnen private und gewerbliche Verbraucher sowie der gesamte Standort“, so Peter abschließend.