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© Depositphotos.com | bashta | Bohren wie eh und je: Die fossilen Konzerne sind scheinbar wieder in der alten Spur.

Carbon Majors Report: Die Ober-Einheizer

Nur 36 Konzerne sind allein für die Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen aus dem fossilen Sektor verantwortlich, ergibt eine Analyse. Auch europäische Energiekonzerne haben ihre CO2-Ziele wieder abgeschwächt.

Die Hälfte der weltweiten fossilen Treibhausgas-Emissionen geht auf das Konto von nur 36 Konzernen. Dabei nehmen staatliche Player wie die saudi-arabische Erdöl-Gesellschaft Saudi Aramco die vordersten Plätze in dem Negativ-Ranking ein.

Das zeigt eine Analyse des britischen Klima-Thinktanks Influence Map. Das Forschungsteam argumentiert, die Daten böten eine Basis dafür, die Unternehmen für ihren Beitrag an der globalen Erwärmung zur Rechenschaft zu ziehen.

Der Thinktank erstellt jährlich Bilanzen des CO2– und Methan-Ausstoßes der großen Emittenten weltweit, die Erdöl, Erdgas und Kohle sowie Zement produzieren. „Carbon Majors Report“ heißen diese Berichte. Die Zementproduktion wurde mit aufgenommen, weil sie neben den fossilen Rohstoffen einer der wichtigsten Posten beim CO2-Ausstoß ist.

Die Emissionen der für den aktuellen Report untersuchten 169 Großunternehmen betrugen 2023 rund 34 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent oder 78 Prozent des Gesamtausstoßes aus dem fossilen Sektor. Die Hälfte der Gesamtemissionen geht auf besagte 36 Unternehmen zurück. Kohle hatte insgesamt einen Anteil von 41 Prozent der Emissionen, Erdöl 32, Erdgas 23 und Zement vier Prozent.

In Ranking folgen auf den Konzern Saudi Aramco, der für 4,4 Prozent der Emissionen verantwortlich ist, der indische Kohleproduzent Coal India (3,7 Prozent) und der chinesische Kohlekonzern CHN Energy (3,65). Unter den Privatunternehmen heizen Exxon Mobil (USA,1,3), Chevron (USA, 1,1) und Shell (Großbritannien, 0,9 Prozent) dem Globus am meisten ein.

Die Daten zeigen: Wäre Saudi Aramco ein Land, wäre es nach China, den USA und Indien der viertgrößte Klimaeinheizer der Welt, während Exxon für fast so viele Emissionen verantwortlich ist wie Deutschland. Laut Influence Map basiert die Carbon Majors Database vor allem auf Zahlen, die von den Unternehmen selbst gemeldet werden. Wo nötig, seien Quellen Dritter herangezogen worden.

Der Carbon-Majors-Datensatz enthält übrigens auch die historischen Treibhausgas-Emissionen von 1854 bis 2023. Darin zeigt sich, dass zwei Drittel des CO2-Ausstoßes aus fossilen Brennstoffen seit der industriellen Revolution von 180 Unternehmen stammen, von denen heute elf nicht mehr existieren.

Trend beim CO2-Ausstoß zeigt wieder nach oben

In der aktuellen Bilanz tragen chinesische Unternehmen zusammengerechnet deutlich mehr zur Klimakrise bei als Unternehmen aus anderen Ländern. Sie produzierten 2023 laut dem Thinktank 23 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen und Zement.

Der aktuelle Trend bei den globalen Emissionen, der nach einer „Corona-Delle“ wieder nach oben zeigt, widerspricht den Anforderungen, wie sie der Weltklimarat IPCC formuliert hat. Danach muss der CO2-Ausstoß bis 2030 gegenüber 2010 um rund die Hälfte sinken, damit die Erderwärmung langfristig bei 1,5 Grad stabilisiert werden kann.

Globale CO2-Emissionen von 1854 bis 2023: Der Umkehrpunkt ist noch nicht auszumachen, weder bei Kohle noch bei Öl und Gas oder Zement. (Bild: aus der Studie)

Auch die Internationale Energieagentur IEA in Paris hat erklärt, dass neue Projekte zur Gewinnung fossiler Rohstoffe mit dem angepeilten Erreichen von netto null Emissionen zur Mitte des Jahrhunderts unvereinbar sind.

Tatsächlich passen die Geschäftsstrategien der fossilen Konzerne nicht zu den Klimazielen, wie sie im Pariser Klimaabkommen fixiert sind, nämlich zu einer Begrenzung der Aufheizung bei deutlich unter zwei Grad und möglichst bei 1,5 Grad. Die Welt erlebt derzeit sogar ein Rollback bei den Ambitionen.

Und das nicht erst seit der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die Erdöl- und Erdgasproduktion der USA als Nummer eins im Weltmarkt noch weiter auszuweiten. Die US-Konzerne Exxon und Chevron pumpten bereits in der Amtszeit von Trumps demokratischem Vorgänger Joe Biden viele Milliarden Dollar in neue Ölförderprojekte.

Zuletzt haben auch wichtige Energiemultis mit Sitz in Europa wie Shell, BP und Total ihre eigenen Mittelfrist-Ziele zur CO2-Reduktion und zu Investitionen in erneuerbare Energien wieder abgeschwächt. Vorreiter dieser Bewegung war Shell. Dessen Vorstandschef Wael Sawan hatte die Ölförderung 2023 wieder hochgefahren und investierte 2024 rund 25 Milliarden Euro in die Öl- und Gasgewinnung.

Die meisten Konzerne schweigen zu dem Bericht

Ein Sprecher von Shell ging auf Anfrage der britischen Zeitung The Guardian nicht konkret auf die Analyse von Influence Map ein und sagte nur: „Shell hat sich verpflichtet, bis 2050 ein Netto-Null-Emissions-Energieunternehmen zu werden. Unsere Investitionen in neue Technologien tragen dazu bei, die Emissionen für Shell und unsere Kunden zu reduzieren.“

Saudi Aramco lehnte eine Stellungnahme ab, während Coal India, Exxon, Chevron, Total und BP gar nicht auf Anfragen reagierten.

Influence-Map-Analyst Emmett Connaire kritisierte die Geschäftspolitik der Energiekonzerne: „Trotz globaler Klimaverpflichtungen erhöht eine kleine Gruppe der weltweit größten Produzenten fossiler Brennstoffe die Produktion und die Emissionen erheblich.“ Die vorgelegte Studie unterstreiche den großen Einfluss dieser Unternehmen auf die Klimakrise.

Der Datensatz biete daher eine Basis für die Bemühungen von Politik und Zivilgesellschaft, unternehmerische Verantwortung durchzusetzen. Die Carbon-Majors-Daten sind bereits mehrfach in den USA und anderen Ländern in Gesetzgebungsverfahren und in Auseinandersetzungen vor Gericht genutzt worden.

Auch die frühere UN-Klimachefin Christiana Figueres äußerte sich kritisch. „Diese Unternehmen halten die Welt in Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und haben keine Pläne, die Produktion zu drosseln“, sagte die costa-ricanische Diplomatin und Politikerin.

Dabei zeige die Wissenschaft eindeutig, dass die Welt nicht zu mehr fossilen Brennstoffen zurückkehren dürfe. „Stattdessen müssen wir uns auf die vielen Möglichkeiten eines dekarbonisierten Wirtschaftssystems zubewegen, das für die Menschen und den Planeten funktioniert.“ Figueres leitete das UN-Klimasekretariat, als das Paris-Abkommen 2015 verabschiedet wurde.

Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, betonte die globale Verantwortung der „Carbon Majors“: „Während einige wenige profitorientierte Unternehmen die Infrastruktur für fossile Brennstoffe weiter ausbauen, treffen die Klimakatastrophen die Regionen am härtesten, in denen die Menschen am wenigsten dazu beigetragen haben, was das Leben von Millionen Menschen beeinträchtigt und uns näher an unkontrollierbare Kipppunkte bringt.“

Rockström mahnte: Ein globaler Umschwung sei nicht nur dringend, sondern unerlässlich – „und er muss bei diesen Hauptakteuren beginnen“.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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