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© pixabay.com | geralt | Das fortgesetzte Verbrennen von Kohle, Öl und Gas führt zur fortgesetzten Erderwärmung.

Copernicus-Bericht: Sogar 1,6 Grad heißer

Ein EU-Report zeigt nun offiziell, wie stark die globale Klimaerwärmung zugenommen hat. Fachleute halten das 1,5-Grad-Ziel für nicht mehr erreichbar, auch nicht beim Einsatz von CO2-Entnahme-Technologien.

Die Anzeichen verdichteten sich bereits im letzten Sommer, weil die Monatswerte der globalen Temperatur immer wieder neue Rekorde aufstellten. Nun ist es amtlich: Das Jahr 2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und gleichzeitig das erste Jahr, in dem die Welt-Durchschnittstemperatur um mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau lag. Es wurde sogar ein Plus von 1,6 Grad gemessen.

Klima-Fachleute sagen dazu: Das 1,5-Grad-Ziel, wie es im Pariser Weltklimavertrag definiert wurde, ist damit praktisch unerreichbar, wahrscheinlich selbst beim Einsatz von Verfahren, die CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernen.

Bereits 1992 formulierte die Weltgemeinschaft auf dem UN-Erdgipfel in Rio in der Klimakonvention als gemeinsames Ziel, es müsse „eine gefährliche Störung des Klimasystems“ verhindert werden. Im Paris-Abkommen von 2015 wurde das konkretisiert.

In dem Klimavertrag heißt es, die globale Erwärmung müsse möglichst bei 1,5 Grad gestoppt werden. Die neuen Daten des Copernicus-Klimawandeldienstes der EU zeigen nun jedoch, dass diese Vorgabe praktisch nicht mehr zu halten sind.

Klimawandel plus El Niño

Das 1,6-Grad-Plus binnen rund anderthalb Jahrhunderten (gegenüber dem Zeitraum 1850 bis 1900) ist dabei nicht das einzige Warnsignal. Die Daten zeigen, dass sich die Erwärmung zuletzt auch stark beschleunigt hat.

Allein gegenüber dem Mittelwert aus dem Klima-Zeitraum 1991 bis 2020 wurde ein Anstieg um 0,72 Grad ermittelt, in Europa sogar einer um 1,47 Grad. Jedes der zurückliegenden zehn Jahre seit 2015 zählt somit global nun zu den zehn wärmsten Jahren seit Aufzeichnungsbeginn.

Im Jahr 2024 waren zehn von zwölf Monaten wärmer als die entsprechenden Monate vorangegangener Jahre, nur der Juli war kühler, der August gleich warm. Hohe Oberflächentemperaturen der Meere, vor allem im Nordatlantik, im Indischen Ozean und im Westpazifik, trugen wesentlich zu den Durchschnittstemperaturen bei.

Als Hauptursache identifiziert der Bericht „Copernicus Global Climate Highlights 2024“ eindeutig den menschengemachten Klimawandel, verstärkt unter anderem durch das El-Niño-Ereignis im östlichen Pazifik, das 2023 einsetzte.

Weitere Fakten aus dem Bericht, an dem auch die Nasa und der UN-Wetterdienst WMO beteiligt waren: Extremwetterereignisse traten in allen Regionen der Welt auf. Ausdehnung und Menge des Meereises in Arktis und Antarktis lagen deutlich unter dem Durchschnitt. Die Wasserdampf-Menge in der Atmosphäre liegt mittlerweile um fünf Prozent höher als in der Periode 1991 bis 2020.

Zudem erreichte die Fläche der Erde, die von mindestens „schwerem Hitzestress“ betroffen war, einen neuen Rekord, nämlich am 10. Juli. An diesem Tag gab es auf 44 Prozent der Fläche „schweren“ bis „extremen Hitzestress“, das waren fünf Prozent mehr als beim bisherigen Höchststand.

„Das 1,5-Grad-Ziel ist praktisch Geschichte“

Co-Autorin Samantha Burgess vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage, bemerkte zu dem Report: „Wir stehen nun kurz davor, die im Paris-Abkommen festgelegte Grenze von 1,5 Grad Celsius zu überschreiten.“ Der Durchschnitt der letzten beiden Jahre liege bereits über diesem Wert, sagte die britische Ozeanologin und Erdsystemforscherin.

Sie mahnte, die hohen globalen Temperaturen hätten zusammen mit den Rekordwerten des atmosphärischen Wasserdampfs 2024 „zu noch nie dagewesenen Hitzewellen und starken Regenfällen geführt, die Millionen von Menschen in Not brachten“.

Im Paris-Vertrag ist das 1,5-Grad-Limit als mehrjähriger Mittelwert definiert. Es ist zwar möglich, dass mit dem Abklingen des El Niño die globale Temperatur wieder etwas absinkt, sie dürfte dann jedoch schnell wieder ansteigen, da die Treibhausemissionen weltweit weiter auf Rekordkurs sind. Das natürliche Klimaphänomen im Pazifik, das in Schnitt alle vier Jahre auftritt, bringt immer einen Temperaturschub von 0,1 bis 0,2 Grad. Es wäre also ein zeitweiser Rückgang auf 1,4 Grad denkbar.

Der deutsche Klimaprofessor Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg sagte dazu: „Das 1,5-Grad-Ziel ist praktisch bereits heute Geschichte. Wer noch immer propagiert, die Welt könne unter 1,5 Grad Erwärmung bleiben, gibt sich Illusionen hin.“ Die Weltgemeinschaft müsse „der Wirklichkeit ins Auge blicken“ und sich auf diese steigende Erwärmung einstellen.

Der renommierte Forscher sieht auch kaum noch Chancen, die Erwärmung durch eine Kombination von drastischer Emissionsminderung und CO2-Entnahme aus der Atmosphäre später wieder unter 1,5 Grad Celsius zu drücken. „Diese Kombination ist im notwendigen Umfang nicht realistisch zu erwarten.“

„Treibhausgasemissionen unbedingt schnell reduzieren“

Ähnlich pessimistisch zur CO2-Entnahme – etwa durch natürliche Maßnahmen wie Aufforstung und Renaturierung von Mooren oder technisches Ausfiltern aus der Atmosphäre plus unterirdischer Endlagerung – äußerte sich auch Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Es werde in den nächsten Jahrzehnten wohl nicht möglich sein, der Atmosphäre „die wirklich nötigen, großen Mengen CO2“ zu entziehen, so der Hochschulprofessor. „Es bleibt daher die unbedingte Notwendigkeit, die Emissionen der Treibhausgase sehr rasch zu reduzieren, um das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen.“

Im Paris-Vertrag ist das Zwei-Grad-Limit als zweite Haltelinie vorgesehen, allerdings drohen bei ihrem Erreichen bereits wichtige Kippelemente des Klimasystems ausgelöst zu werden, so das Abschmelzen der Eisschilde an Nord- und Südpol sowie das Austrocknen des Amazons-Regenwaldes.

Fink sagte, es müsse immer wieder betont werden, dass die Kosten eines eskalierenden Klimawandels deutlich höher seien als die Transformation zu einer CO2-freien Wirtschaft, „ganz zu schweigen von den Folgen potenzieller Massenmigration aus tropischen Regionen, welche durch die Erderwärmung aus der sogenannten Klimanische geraten“. Dort werde das Leben aufgrund des feuchtheißen Klimas dann „einfach unerträglich“.

Der Weltklimarat IPCC hatte 2018 in einem Sonderbericht zum 1,5-Grad-Limit postuliert, dieses sei noch zu halten, wenn der globale CO2-Ausstoß bis 2030 in etwa halbiert wird. Inzwischen sind die Emissionen nach einem zeitweisen Rückgang wegen der Corona-Lockdowns jedoch sogar weiter angestiegen.

Einige Klima-Fachleute sehen zwar Anzeichen, dass es 2025 immerhin zu einer Trendwende kommen könnte, unter anderem, da China als größter CO2-Emittent den Ausbau von Solar- und Windenergie stark pusht und beim Übergang zur Elektromobilität weltweit führend ist.

Jüngste Nachrichten über einen neuen Rekord beim Verbrauch der besonders CO2-trächtigen Kohle ließen allerdings wieder Zweifel daran aufkommen. 2024 wurde hier laut der Internationalen Energieagentur IEA ein weiterer Anstieg verzeichnet, weil die Nachfrage in Schwellenländern wie China und Indien stärker als erwartet anstieg und der Kohleausstieg in den Industriestaaten verlangsamte.

Die IEA rechnet mit einer globalen Trendwende in diesem wichtigen Sektor, die sie eigentlich schon für 2024 erwartet hatte, nun erst für 2027.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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