Schwarz-Rot-Grün einigt sich zu Kraft-Wärme-Kopplung, Solar- und Bioenergie
Einen großen Wurf hat niemand erwartet, in letzter Minute raffen sich die Bundestagsfraktionen von Union, SPD und Grünen aber noch zu einigen energiepolitisch dringlichen wie sinnvollen Regelungen auf. Die Ausschüsse entscheiden über Hunderte Seiten von Vorlagen.
Seit Wochen trommelte die Energiebranche, der Bundestag möge mit der Mehrheit von Union, SPD und Grünen einige wirklich unaufschiebbare Gesetze beschließen. Am Freitag sickerten erste Informationen durch, dass sich die drei Fraktionen doch noch auf einige Vorhaben hätten verständigen können.
Tatsächlich sollen die Verhandlungen aber noch bis Samstagnacht gedauert haben. Am Montag wurden die drei Fraktionen informiert. Am Mittwoch müssen die Klimareporter° vorliegenden Vorlagen dann noch in den zuständigen Ausschüssen abgesegnet werden.
Zu Recht darf bezweifelt werden, ob die Abgeordneten die insgesamt mehrere hundert Seiten starken Anträge verstehen, mit denen eine schier unübersehbare Vielzahl von Paragrafen in bestehenden Gesetzen geändert wird.
Das neue Gesetzespaket bringe das Energiesystem der Zukunft voran, indem die Bioenergie gestärkt, ihre Rolle durch mehr Flexibilisierung ausgebaut und der Kraft-Wärme-Kopplung Planungssicherheit geboten werde, lobte die Grünen-Fraktionsspitze am Montag. Auch übernehme die Solarenergie künftig mehr Verantwortung und füge sich Schritt für Schritt mittels Digitalisierung besser in die Stromnetze ein.
Für kleinere Solaranlagen kommt es nicht gar so schlimm
Mit dem Schlagwort „mehr Verantwortung“ ist hier vor allem gemeint, dass künftig Solaranlagen mit mehr als 100 Kilowatt Nennleistung laut dem entsprechenden Änderungsantrag in Zeiten negativer Strompreise keine Einspeisevergütung mehr bekommen sollen. Hier drohten drastische Einnahmeverluste für die Betreiber von Photovoltaik-Anlagen. Ursprünglich sahen sich kleinere Anlagen auch noch dem Zwang zur Direktvermarktung des Stroms ausgesetzt.
Der Solarbranche gelang es offenbar, dies abzuwenden. Denn künftig soll der EEG-Förderzeitraum, vereinfacht gesagt, um die Zeiten verlängert werden, in denen der Strompreis negativ war. Darüber hinaus können Betreiber von Solaranlagen unter 100 Kilowatt die Streichung der Einspeisevergütung in den negativen Zeiten verhindern, wenn sie ihre Anlage mit einem intelligenten Messsystem ausstatten.
Gänzlich verschont von negativen Strompreisen bleiben die sogenannten Steckersolargeräte mit einer Nennleistung von insgesamt bis zu zwei Kilowatt und einer Wechselrichterleistung von bis zu 800 Watt, die „hinter der Entnahmestelle eines Letztverbrauchers betrieben werden“, wie es in der Vorlage heißt. Alle Besitzer eines oder mehrerer Balkonkraftwerke können also aufatmen.
Der Bundesverband Solarwirtschaft begrüßt denn auch, dass den Betreibern der Wegfall der Einspeisevergütung zu Zeiten negativer Börsenstrompreise „größtenteils“ kompensiert wird, wie es in einer Stellungnahme heißt.
Der Verband hält auch die in den Vorlagen vorgeschlagenen Verbesserungen für eine flexiblere Fahrweise von Speichern sowie die vorgesehenen Vereinfachungen bei der Direktvermarktung von Solarstrom für wichtig. Kritisch wird dagegen die geplante Anhebung der Preisobergrenzen für Smart Meter gesehen. Diese sollen künftig vermutlich bis zu 100 Euro kosten dürfen.
Freuen darf sich die Erneuerbaren-Branche auch darüber, dass künftig an einem Netzverknüpfungspunkt mehrere Ökostromerzeuger angeschlossen werden dürfen, also beispielsweise ein Wind- und ein Solarpark zugleich – auch wenn diese zusammen rein rechnerisch mehr Stromleistung erbringen können, als das Netz an dieser Stelle verträgt. Das tritt aber so gut wie nie ein, weil Wind und Sonne nie zugleich ihre maximale Erzeugungsleistung erreichen. Umgesetzt werden soll das über eine sogenannte flexible Netzanschlussvereinbarung.
Neuregelungen bei der Kraft-Wärme-Kopplung
Ein weiterer zentraler Punkt der schwarz-rot-grünen Einigung betrifft die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Hier sollen insbesondere europarechtliche Vorschriften zu hocheffizienten KWK-Anlagen in deutsches Recht übernommen werden.
Neu gebaute oder erheblich modernisierte KWK-Blöcke, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, müssen künftig weniger als 270 Gramm CO2 je erzeugter Kilowattstunde ausstoßen, wenn sie in kombinierter Fahrweise betrieben werden und zugleich Wärme (oder Kälte) und Strom (oder mechanische Energie) erzeugen. Anlagen, die vor dem Oktober 2023 erstmals in Betrieb gingen, müssen den verschärften Emissionswert erst ab Anfang 2034 einhalten.
Klimapolitisch bedeutsam scheint auch eine vom Gesetzgeber vorgesehene Umbenennung zu sein. So soll der Begriff „industrielle Abwärme“ durch „unvermeidbare Abwärme“ ersetzt werden. Begründung des Gesetzgebers: Die Begriffsänderung wirke sich auf die Fördertatbestände für Wärmenetze aus und erweitere die Wärmequellen, die zur Erfüllung der Mindestanteile für erneuerbare Energie und unvermeidbare Abwärme genutzt werden können.
Kritiker vermuten hier ein klimapolitisches Schlupfloch etwa für fossil erzeugte Industriewärme, aber auch für die Abfallverbrennung, deren Wärme so möglicherweise als „unvermeidbar“ deklariert werden kann und die dann in den kommunalen Wärmeplänen echter erneuerbarer Wärme aus Solarthermie oder mit Ökostrom betriebenen Wärmepumpen gleichgestellt wäre.
Erleichterungen für Bioenergie
Schließlich einigten sich die drei Fraktionen auch über eine auf die Unionsfraktion zurückgehende, aber offenbar noch nicht fertig bearbeitete Gesetzesvorlage zur Bioenergie. So soll eine jahrelange Forderung der Biogasbranche teilweise erfüllt werden, indem der einmalig zu zahlende Flexibilitätszuschlag von derzeit 65 Euro pro installiertes Kilowatt auf 100 Euro erhöht wird. Die Branche selbst hatte zuvor 120 Euro verlangt.
Nahezu erfüllt wird eine weitere Forderung der Branche, indem die jährliche EEG-Ausschreibungsmenge für Biogasanlagen von derzeit 1.300 Megawatt mehr als verdoppelt wird. In der Gesetzesvorlage ist die Rede von mehr als 2.800 Megawatt. Dazu kommen noch mehrere hundert Megawatt Biomethan-Anlagen, für deren Bau sich allerdings bisher keine Investoren fanden.
Die Politik kommt der Biogasbranche auch bei den Fristen zur Umstellung auf eine flexiblere Fahrweise entgegen. Ursprünglich sollten die Betreiber hier nur zwei Jahre Zeit für die Umstellung bekommen, nun sollen es drei Jahre sein.
Vorläufiges Fazit: Die Einigung beruht wesentlich auf einem offensichtlichen Deal zwischen CDU/CSU und Grünen. Die Union konnte deutliche Verbesserungen für die Bioenergiebranche erreichen. Diese war jahrelang vor allem vom grün geführten Wirtschaftsministerium hingehalten worden und hatte ihre Lobbyarbeit deswegen stärker auf die Konservativen ausgerichtet.
Dafür konnten die Grünen ursprünglich geplante Knebelvorschriften zulasten der Solarbranche abwenden. Ob speziell die Union mit der Einigung längerfristig glücklich wird, kann bezweifelt werden. Denn allein die neuen Bioenergie-Regeln sollen laut den Vorlagen neue Milliarden-Kosten fürs EEG-Konto, also letztlich für den ohnehin klammen Bundeshaushalt, mit sich bringen.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden!