Bundestag glättet Solarstrom-Spitzen
Der Bundestag hat heute einer Novellierung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen verabschiedet.
Der Bundesverband Solarwirtschaft begrüßt, dass Union, SPD und Grüne noch vor der Bundestagswahl die Energierechtsnovelle zugestimmt haben. Die Interessenvertretung der Solar- und Speicherwirtschaft informiert, was sich in Zukunft für Betreiber:innen von Solarstromanlagen ändern wird:
1. Verlagerung der Solarstromeinspeisung und deren EEG-Vergütung weg von Zeiten negativer Börsenstrompreise
Betreiber:innen neuer Photovoltaikanlagen erhalten zukünftig keine EEG-Vergütung mehr für den Strom, den sie zu Zeiten negativer Börsenstrompreise ins öffentliche Stromnetz einspeisen. In diesen Zeiten besteht ein Stromüberangebot. Damit dies die Rentabilität von neuen Solarstromanlagen nicht nennenswert beeinträchtigt, greift ein Kompensationsmechanismus: Die geförderte Solarstromeinspeisung, die zu Zeiten negativer Strompreise nicht vergütet wurde, kann durch eine Verlängerung des rund 20jährigen Vergütungszeitraums nachgeholt werden.
Der finanzielle Nachteil für Betreiber:innen von Solaranlagen hält sich damit in Grenzen. Durch eine intelligente Nutzung und Zwischenspeicherung des selbst erzeugten Solarstroms zu Zeiten negativer Strompreise können sie sogar einen wirtschaftlichen Vorteil generieren. Sie tragen so dazu bei, Stromspitzen und negative Strompreise zu vermeiden und die Energiewende-Kosten zu senken.
Betreiber:innen von bereits bestehenden Solarstromanlagen können auf freiwilliger Basis zu der Neuregelung optieren. Als Anreiz für einen freiwilligen Wechsel erhalten Betreiber von Bestandsanlagen eine Vergütungserhöhung von 0,6 ct/kWh. Für Bestandsanlagen gelten im Wesentlichen die Anforderungen zum jeweiligen Zeitpunkt der Inbetriebnahme.
2. Installation von intelligenten Messsystemen (iMSys)
Um Stromspitzen auch zukünftig gut handhaben zu können, soll der Rollout von intelligenten Messsystemen (iMSys) und Steuerungstechnik deutlich beschleunigt werden.
Gesteuert werden müssen PV-Anlagen ab einer Leistung von 7 kWp. Ausgenommen von der Steuerungspflicht sind sogenannte „Nulleinspeise-Anlagen”, die keinen Strom ins Netz einspeisen sowie Steckersolargeräte für die keine Ausstattungspflicht besteht.
Die maximal zulässigen, jährlich zu zahlenden Entgelte für intelligente Messsysteme und Steuerungstechnik werden angehoben. Allerdings können Anlagenbetreiber damit auch an vielfältigen Abrechnungs- und Tarifprodukten der neuen Energiewelt teilnehmen, wie beispielsweise dynamischen Stromtarifen. Die maximal zulässigen Entgelte steigen für Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 2 kW bis 15 kW um 30 Euro pro Jahr. Die Mehrzahl der Photovoltaiksysteme auf Einfamilienhäusern liegt in dieser Leistungsklasse. Für Anlagen von 15 kW bis 25 kW steigen die Kosten um 40 Euro, und für Anlagen von 25 kW bis 100 kW um 20 Euro pro Jahr an. Hinzu kommen Kosten für den Einbau und Betrieb einer Steuerungseinrichtung am Netzanschlusspunkt in Höhe von jährlich 50 Euro.
3. Reduzierung der maximalen Einspeiseleistung von Photovoltaikanlagen
Die Einspeiseleistung – nicht gleichzusetzen mit der Einspeisemenge – von neuen Photovoltaikanlagen wird auf 60 Prozent beschränkt, solange diese nicht mit einem intelligenten Messystem ausgestattet sind. Da inzwischen nahezu alle neu installierten Solaranlagen mit einem intelligent betriebenen Speicher betrieben werden, dürften Betreiber:innen dadurch in der Regel keine nennenswerten Nachteile entstehen. Solare Erzeugungsspitzen werden so nicht ins Stromnetz eingespeist, sondern entweder direkt vor Ort verbraucht, mit Hilfe von Speichern zeitversetzt vor Ort verbraucht oder zeitversetzt ins Netz eingespeist, wenn weniger Sonne scheint.
Nur in den seltenen Fällen, bei denen neue Solarstromanlagen über keinen Speicher verfügen und den gesamten Strom ins öffentliche Netz einspeisen müssen, führt die beschlossene Kappung der Einspeiseleistung auf 60 Prozent zu Abregelungs- und damit Rentabilitätsverlusten im unteren einstelligen Prozentbereich: In Lagen bester Sonneneinstrahlung belaufen sie sich in diesem Fall schlimmstenfalls auf ein Prozent bei Ost-West-Ausrichtung und auf maximal neun Prozent bei Südausrichtung einer Solaranlage. An weniger sonnenreichen Standorten fallen die Verluste geringer aus. Mit dem Einsatz von Batteriespeichern und einem zeitlich gesteuerten Eigenverbrauch lassen sich diese durch eine Abregelung erzeugten Verluste jedoch weitgehend vermeiden. Das ergab eine Simulation der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.
Die Reduzierung der Einspeiseleistung auf 60 Prozent gilt für alle Photovoltaiksysteme mit einer Leistung unter 100 Kilowatt (mit Ausnahme kleiner Steckersolargeräte), die nicht in der Direktvermarktung sind.
4. Flexiblere Fahrweise von Speichern
Mehr als 80 Prozent der neuen Photovoltaikanlagen auf Eigenheimen werden in Kombination mit einem Batteriespeicher installiert. Diese Speicher können künftig auch zum Zwischenspeichern von Netzstrom genutzt werden und damit netz- und systemdienlicher betrieben werden. Möglich machen das die Pauschaloption für Heimspeicher und die Abgrenzungsoption für größere Speicher. Beide Optionen dienen dazu, förderfähige Solarstrommengen im Speicher von nicht förderfähigem Graustrom aus dem Netz abzugrenzen. Das ermöglicht eine flexible Nutzung der Speicher nicht nur für den Eigenverbrauch, sondern auch für den Stromhandel und Systemdienstleistungen. Voraussetzung für die praktische Anwendung ist eine noch zu formulierende Festlegung der Bundesnetzagentur und die Anlagen müssen in der Direktvermarktung betrieben werden.