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Warum schießen die Strompreise während einer Dunkelflaute plötzlich steil nach oben?

Als Dunkelflauten bezeichnet man Zeiträume, in denen großräumige Windstille und gleichzeitig starke Bewölkung die Stromerzeugung aus Solar- und Windkraft massiv einbrechen lassen. Diese Phasen dauern großflächig meist nur wenige Stunden an. Während solcher Dunkelflauten steigen die Börsenstrompreise jedoch drastisch an.

Am 11. Dezember 2024 schnellte der Strompreis kurzfristig auf über 1000 Euro pro Megawattstunde (MWh) in die Höhe. Mit zunehmendem Wind sank er in den darauffolgenden Tagen rasch wieder auf die typischen, durch Erneuerbare Energien niedrig gehaltenen Werte von etwa 20 Euro pro MWh. Dies geschah, obwohl weiterhin kaum Sonnenschein herrschte, der Wind jedoch kräftig wehte.

Wenn Sonne und Windenergie gleichzeitig nur geringe Beiträge liefern, steigen die Strompreise an der Börse. Das liegt daran, dass verstärkt Kohlekraftwerke und insbesondere sehr teure Erdgaskraftwerke einspringen müssen. Daraus wird deutlich: Nicht die Erneuerbaren Energien, sondern die konventionellen fossilen Kraftwerke treiben die Preise in die Höhe.

Speisen hingegen viele Solar- und Windkraftwerke sowie andere erneuerbare Energiequellen in das Netz ein, sinkt der Strompreis. In seltenen Fällen fällt er sogar so tief, dass die Strompreise an der Börse negativ werden – das bedeutet, dass man Geld erhält, wenn man Strom kauft.

Rund um die Dunkelflaute kursieren zahlreiche Mythen und Fehlinformationen

In den sozialen Medien aber, wo häufig viele Mythen und Falschinformationen verbreitet werden, wurden die hohen Strompreise, die während der letzten Dunkelflaute im Dezember stundenweise auftraten, dazu genutzt, den Erneuerbaren Energien die Schuld zuzuweisen. Eine komplette Verdrehung der Tatsachen. Tatsächlich sind die durchschnittlichen Strompreise in Deutschland im Jahr 2024 aufgrund des Ausbaus der Erneuerbaren Energien im Vergleich zu 2023 weiter gesunken.

Diese und viele andere Richtigstellungen sind in einem lesenswerten Artikel von Cleanthinking über die Mythen rund um Dunkelflauten hervorragend zusammengefasst.

Wer jedoch nur in einfachen Denkmustern argumentiert, dem genügen auch einfache, wenn auch falsche, Erklärungen, und die Polemik nimmt ihren Lauf. Die konservative schwedische Ministerpräsidentin, Ebba Busch, zuständig für Energie in der schwedischen Regierung, scheint nur wenig Ahnung von den komplexen Zusammenhängen zu haben und polemisiert gleich gegen Robert Habeck.

Selbst der sonst so atomfreundliche und kritisch gegenüber Erneuerbaren Energien stehende Focus bringt einige interessante Fakten und Zusammenhänge, die zeigen, dass Ebba Busch offenbar ziemlich danebenliegt. Interessanterweise war gerade das schwedische Atomkraftwerk Forsmark während der Dezember-Dunkelflaute abgeschaltet, was das Argument, die Atomkraft sei verlässlich und das Fehlen von Atomstrom eine der Ursachen für hohe Preise während Dunkelflauten, in einem besonders fahlen Licht erscheinen lässt. Nichts davon ist wahr.

Komplexität und Ursachen der explodierenden Strompreise in den sehr kurzen Dunkelflautenzeiten sind vielfältig

Eine ganze Reihe oft nicht diskutierter Zusammenhänge haben einen wesentlichen Einfluss auf die gelegentlich hohen Strompreise, nicht nur während Dunkelflautenzeiten. Einige dieser Zusammenhänge zeigen schonungslos die energiepolitischen Fehler der Ära Merkel auf:

  • Teure Stromerzeugung durch fossile Kraftwerke, vor allem Erdgas
  • Fehlender Ausbau von Flexibilitäten mit Wasserkraft, Bioenergie und Speichern während der 16 Jahre Merkel-Regierungen
  • Manipulationen an der Strombörse durch große konventionelle Konzerne
  • Das Setzen auf Börsengeschäfte für den Ausgleich von Börsenstromschwankungen anstelle von Investitionsanreizen in einen verlässlichen dezentralen Mix aus Erneuerbaren Energien und Speichern, organisiert mit Bürgerenergie

Strompreise sind hoch, wenn Solar und Wind schwach sind: Flexible Erneuerbare Energien und Speicher bieten die Lösung

Aus der Erkenntnis, dass bei ungenügender Wind- und Solastromproduktion die Strompreise durch Kohle- und Erdgaskraftwerke in die Höhe getrieben werden, muss in diesen Zeiten auf Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen statt fossilen Brennstoffen gesetzt werden: Auf flexible Erneuerbare Energien und Speicher, die vor allem immer dann zum Einsatz kommen, wenn die Solarenergie wenig liefert – also gerade im Winter. Bioenergie (Biogas, Pflanzenöle, Holzenergie) kann genau das, sie liefert über Kraft-Wärme-Kopplung auch Wärme, die gerade im Winter benötigt wird. Viele Bioenergiedörfern machen das schon seit Jahren vor.

Auch Wasserkraft kann flexibel gesteuert werden. Speicher wie Pumpspeicher, Batterien oder Redox-Flow-Systeme können ihre gespeicherte Energie genau dann zurückliefern, wenn es Dunkelflauten gibt. Ein großflächiger Ausbau dieser flexiblen Erneuerbaren Energien und Speicher ist also die Lösung zur Reduzierung der Strompreise – auch in winterlichen Zeiten mit wenig Solarstrahlung. Natürlich sollten Bioenergieanlagen im Sommer weitgehend ruhen, da dann kaum Wärme benötigt wird. Daher ist die Flexibilisierung von Biogasanlagen, sowohl im Bestand als auch im Neubau, zusammen mit anderen Erneuerbaren Energien und Speichern die richtige Antwort auf die Herausforderung hoher Strompreise in Dunkelflautenzeiten – und nicht der Ausbau weiterer Erdgaskraftwerke, selbst wenn diese wasserstoffready sein sollten.

Die Energy Watch Group hat dazu eine Zusammenstellung erstellt, in dem vorgerechnet wird, dass es keinen Bedarf an neuen klimaschädlichen Erdgaskraftwerken gibt, wenn in Deutschland eine Versorgungssicherheit mit 100% Ökostrom auch in Dunkelflauten gewährleistet wird.

Massive Versäumnisse der 16 Jahre Merkel-Regierungen den Dunkelflautenausgleich zu organisieren

In den Jahren bis 2005 hatten wir rot-grünen Abgeordnete längst Anreize für die Flexibilisierung von Bioenergie, Wasserkraft und den Speicherausbau auf die politische Agenda gesetzt. Mit dem Wechsel 2005 zur Regierung Merkel wurde dieses Thema jedoch nicht mehr ernst genommen. Bis etwa 2012 gab es noch einen nennenswerten Ausbau von Biogas und Wasserkraft, aber Flexibiltätsanreize wurden nicht gesetzt, womit sie also auch im Sommer ähnliche Strommengen liefern, wenn die Solarenergie ohnehin stark war. Für Speicher wurden sogar große Investitionshürden aufgebaut. Ab etwa 2012 brach der Ausbau von Bioenergie und Wasserkraft völlig ein. Selbst die Biogasverbände oder der Bauernverband hatten sich damals kaum für die Flexibilisierung eingesetzt. Erst etwa ab 2015 investierten einige vorbildliche Biogasanlagenbetreiber in die Flexibilität. Der Verein Flexperten entstand und trug das Thema zunehmend vorbildlich in die Politik.

Doch eine gesetzliche Regelung mit einem höheren Flexbonus und dem Abschaffen der blockierenden Ausschreibungen im Biogassektor ist bis heute nicht gelungen, genauso wenig wie echte Anreize für den Ausbaus der Wasserkraft und von Speichern im Stromnetz.

Immerhin hat das grün geführte Wirtschaftsministerium jetzt eine EEG-Novelle mit dem Ziel vorgelegt, Biogasanlagen stärkere Anreize zur Flexibilisierung zu geben. Es ist jedoch weiterhin fraglich, ob und wie dies noch vor der Bundestagswahl im Februar verabschiedet wird und ob die vorgeschlagenen neuen Anreize auch tatsächlich ausreichen.

Festzuhalten ist: Die 16 Jahre unter den Merkel-Regierungen nicht gegebenen politischen Anreize für die Flexibilisierung von Erneuerbaren Energien mit Speichern sind die Hauptursache dafür, dass heute in Dunkelflautenzeiten die Strompreise in die Höhe schießen. Eine vorausschauende Politik hätte das längst angehen können und müssen. Deutschland könnte längst bei 100% Ökostrom sein, ohne Probleme bei der Versorgungssicherheit.

Ich selbst hatte mit der Energy Watch Group schon vor Jahren einen eigenen Vergütungssatz (Kombikraftwerksvergütung) für Erneuerbare Energien ins Gespräch gebracht, der Anreize setzt, dann in das Netz einzuspeisen, wenn es beispielsweise eine Dunkelflautenzeit gibt und nicht nur, wenn Sonne und Wind im Überfluss vorhanden sind. Umgesetzt wurde davon jedoch nichts.

Manipulationen der Strombörsen durch konventionelle Energiekonzerne treiben die Börsenstrompreise zusätzlich in die Höhe

Im EEG 2000 wurde der Ökostrom nicht an der Börse gehandelt. Damals galt das Grundprinzip der Marktwirtschaft, dass ein zahlender Kunde (Stromkunde) auch die Ware (den Ökostrom) erhält. Mit der EEG Novelle 2009 unter dem SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel wurde dieses markwirtschaftliche Grundprinzip jedoch abgeschafft. Zwar zahlten die Stromkunden weiterhin die EEG-Umlage, aber der EEG-Strom wurde nun von den Höchstspannungsnetzbetreibern an der Börse verkauft. Meine Warnungen als Obmann im Umweltausschuss des Bundestages wurden nicht ernst genommen, und das Unheil nahm seinen Lauf. Die EEG-Umlage stieg etwa doppelt so stark wie die EEG-Vergütungszahlungen. Ursache war, dass viele Stromkonzerne mit dem Argument der steigenden EEG-Umlage die Strompreise erhöhten, aber die gesunkenen Strombeschaffungskosten durch billige Erneuerbare Energien nicht an die Stromkunden weitergaben. Stattdessen steigerten sie ihre Gewinne.

Zudem wurden schon damals Manipulationen und Betrug an der Strombörse aufgedeckt, die einige Konzerne nutzten, um ihre Gewinne weiter zu steigern. Wer im Internet nach Manipulationen an der Strombörse sucht, findet eine Fülle von Beispielen. So wurden zum Beispiel große Wasserkraftwerke oder Atomkraftwerke gedrosselt, um eine künstliche Knappheit auf dem Strommarkt zu schaffen. Das trieb bereits vor 2010 die Strompreise nach oben und damit die Gewinne der Stromerzeuger aus Atomkraft und Kohle.

Auch 2014 berichtete der Bund der Energieverbraucher über großangelegte Manipulationen an der Strombörse zulasten der Verbraucher.

2021 bestrafte die Bundesnetzagentur Betrüger an der Strombörse.

Es gäbe über noch viel mehr aufgedeckte Fälle zu berichten. Doch all dies scheint nur die Spitze des Eisbergs von Betrügereien und Manipulationen an der Strombörse zu sein.

Auch der Europäische Rechnungshof hatte Manipulationen an der Strombörse angeprangert, was nun die EU-Kommission veranlasste, nach über 20 Jahren endlich gesetzlich gegen diese vorzugehen. Im März 2024 trat dieses Gesetz in Kraft.

Doch selbst dieses neue Gesetz stört große Stromkonzerne nicht, ihre Manipulationen zur Gewinnerhöhung an der Strombörse weiterhin auf Kosten der Stromkunden vorzunehmen. Die letzten Dunkelflauten im Dezember 2024 jedenfalls wurden offensichtlich wieder benutzt um die Konzerngewinne nach oben zu treiben und so die Strompreise zu erhöhen.

Börsenmanipulationen haben jetzt in den Dezember-Dunkelflauten die Strompreise weiter nach oben getrieben

So berichtet BR24 zur Dunkelflaute im letzten Dezember: Die Betreiber deutscher Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke seien ihren Verpflichtungen über mehrere Tage nicht nachgekommen und hätten an der Energiebörse deutlich weniger Strommengen angemeldet. Die Betreiber von Gaskraftwerken sprangen nun nicht – wie politisch von Bundesregierung und Netzagentur gewollt – in die Lücke: Sie lieferten ebenfalls viel weniger Strom als üblich. Das bedeutet, dass große Energiekonzerne, die nicht nur Kraftwerke betreiben, sondern zugleich auch Strom liefern, an der sich abzeichnenden Versorgungslücke mit wenig Strom aus Sonne und Wind an den hohen Preisen verdienen, die sie vorher selbst verursachen.

Ausweg: Bürgerenergien mit 100% Erneuerbaren Energien

Übrigens hätten auch RWE, E.On, EnBW oder Vattenfall schon seit vielen Jahren in flexible Erneuerbare Energien und Speicher investieren können, um sich gegen die absehbaren Strompreisschwankungen in den Dunkelflauten zu wappnen. Doch genau das haben sie nicht nennenswert getan – vermutlich, um ihre satten Gewinne, die sie durch Strombörsenmanipulationen genau in diesen Zeiten erzielen können, nicht zu gefährden.

Stattdessen schieben sie in Erklärungen und Interviews, oft unterstützt von willfährigen Journalisten der Bild-Zeitung und Co., den Erneuerbaren Energien die Schuld zu. Ein Großteil der Medien und der Bevölkerung übernimmt diese Narrative unreflektiert, ohne zu merken, dass sie dadurch selbst mit hohen Strompreisen abgezockt werden.

Es wird immer offensichtlicher: Die großen Stromkonzerne werden weiterhin versuchen, ihr klimaschädliches Geschäft mit Kohle und Erdgas zu schützen, während sie gleichzeitig die Stromkunden mit Übergewinnen abzocken.

Da gibt es nur eine Lösung: Liebe Bürgerinnen und Bürger, schließt euch zusammen, organisiert eure Stromversorgung selbst – privat oder in Energiegemeinschaften. Investiert in alle Erneuerbaren Energien: Solar, Wind, Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie und Speicher. So erhaltet ihr verlässliche, gut kalkulierbare Energie für euren Strombedarf, eure Heizung und eure E-Mobilität. Was die Konzerne dann noch am fehlerhaften Strommarktdesign manipulieren, ist somit für euch irrelevant.

Ich persönlich hatte auch in den Dezember-Dunkelflauten genug Strom in meinem Haus – auch für Heizung und meine E-Mobilität. Mein Pflanzenöl-BHKW liefert mir Wärme und Strom, selbst wenn die Sonne wochenlang hinter den Wolken verborgen bleibt. Sobald die Sonne wieder scheint, spare ich Pflanzenöl ein. Überhöhte Strompreise in den Dunkelflautenzeiten betreffen mich nicht, da ich keine Strompreise aus dem Netz zahle. Ich kann nicht nachvollziehen, warum nicht mehr Menschen diesen Weg einschlagen. Die Möglichkeiten, dies im Privathaus umzusetzen, sind relativ einfach. Für Mieter und größere Gemeinschaften bieten Energiegemeinschaften die Chance, solche Lösungen kollektiv zu organisieren. Es bleibt für mich ein großes Rätsel, warum so viele Menschen und Unternehmen freiwillig in der Abhängigkeit fossiler Energiekonzerne verharren.

Und warum verbreiten sie deren Konzerninteressen gegen die Erneuerbaren Energien in den sozialen Medien, anstatt sich endlich unabhängig zu machen und kalkulierbare, kostengünstige Erneuerbare Energien für ihre eigene Versorgung selbst zu organisieren?

Quelle

Hans-Josef Fell 2025 | Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG

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